„Zwischen den Jahren“ – Traditionen, Brauchtum & Aberglaube

„Zwischen den Jahren“ – Traditionen, Brauchtum & Aberglaube

Die Tage von Weihnachten bis zum Dreikönigstag am 6. Januar werden traditionell als die Zeit „Zwischen den Jahren“ bezeichnet. Es ist der Übergang vom alten ins neue Jahr. Für viele Menschen ruht während dieser Zeitspanne die Arbeit, und das Leben spielt sich im heimischen Umfeld ab. Ohne die gewohnten Abläufe und alltäglichen Verpflichtungen bietet sich eine gute Gelegenheit, das zurückliegende Jahr zu überdenken, sich zu besinnen und Altes loszulassen. Die Tage können als Ruhepause genutzt werden, um Abstand vom Alltagstrubel zu nehmen, zu entspannen und Rückschau zu halten.

Doch woher kommt eigentlich die Redewendung „Zwischen den Jahren“? Laut der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. führt „Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“ den Sprachgebrauch auf die wechselnde Festlegung des Jahresanfangs zurück. Im Laufe der Geschichte hat sich dieser nämlich des Öfteren geändert:

 

Nach dem römischen Kalender wurde erstmals im Jahr 153 der 1. Januar als Beginn des neuen Jahres festgelegt. Das war der Tag, an dem die hohen Beamten ihr Amt antraten. Im Christentum wurde zunächst am Tag der Taufe Jesu (6. Januar) das neue Jahr begonnen – später in der Mitte des 4. Jahrhunderts wurde der Tag der Geburt Jesu (25. Dezember) als Jahresbeginn definiert. Nach einigen Wendungen im Mittelalter legte sich die christliche Welt im Jahr 1691 endgültig auf den 1. Januar als Neujahrstag fest.

Raunächte

Die Nächte zwischen Heiligabend und Heilige Drei Könige werden auch als Raunächte (auch „Rauhnächte“ oder „Rauchnächte“) bezeichnet. Neben den vielen Ritualen und Mythen, die sich um die Raunächte ranken, lädt diese besondere Zeit auch zur inneren Einkehr ein.

Die 12 Rauhnächte stehen für die 12 Monate des kommenden Jahres. Jede Raunacht spiegelt symbolisch jeweils einen Monat. Laut traditionellen Überlieferungen sind es heilige Nächte, an denen weder gearbeitet noch etwas Neues begonnen werden soll. Zu dieser Zeit sollen die Tore zur Geisterwelt weit offen stehen und bedrohliche Gestalten ihr Unwesen treiben.

Die erste der magischen Nächte beginnt am 24. Dezember – also die Nacht von Heiligabend auf den ersten Weihnachtstag – den Abschluss bildet die Nacht vom 5. auf den 6. Januar (Tag der Heiligen Drei Könige).

In einigen Überlieferungen spielt auch die Nacht vom 21. auf den 22. Dezember eine besondere Rolle – die sogenannte Thomasnacht. Diverse Rituale und Aberglauben sind mit dem Gedenktag an den Apostel Thomas verbunden. Beispielsweise glaubte man daran, dass einem in dieser Nacht das Bild des künftigen Ehepartners erscheinen würde. Es ist der Tag der Wintersonnenwende, an dem sich der kürzeste Tag und die längste Nacht gegenüberstehen. Auch symbolisch markiert der Zeitpunkt den Übergang von Dunkelheit zu Licht und gilt gleichermaßen spirituell als bedeutsam. In jedem Fall werden die Tage langsam wieder länger und das Tageslicht nimmt immer mehr zu.

Auch den Träumen in den Raunächten wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Traditionell glaubt man, dass das Geträumte einen Blick in die Zukunft offenbart. 

Namensherkunft

Es existieren mehrere Ansätze, die versuchen, die Namensherkunft zu erklären. „Rauware“ oder „Rauchware“ ist eine alte Bezeichnung für Pelzwaren. Das Adjektiv „rau“ bedeutet soviel wie „zottig“, „struppig“, „ungezähmt“. Demgemäß könnte sich der Name auf die wilden, pelzigen Gesellen beziehen, die in den Nächten um den Jahreswechsel angeblich unterwegs sein sollen. Auch das traditionelle Beräuchern von Haus und Stall zum Jahreswechsel könnte mit dem Begriff „Rauchnächte“ gemeint sein. Der Rauch soll die bösen Geister und schlechte Energien vertreiben.

Mythologie

Aus mythologischer Betrachtung gibt es einige spannende Geschichten rund um die Raunächte zu entdecken. Laut den alten Überlieferungen sind Wotan und die Wilde Jagd und Frau Perchta als zentrale Figur des Perchtenbrauchtums in dieser Zeit unterwegs.

Die Wilde Jagd

Der Begriff von der Wilden Jagd stammt aus der germanischen Mythologie. Demnach ist die Wilde Jagd (auch: Wildes Heer) eine Schar von Geistern, die – dem Volksglauben nach – in den Raunächten lärmend und tobend unterwegs sind und Angst und Schrecken verbreiten. Nach den alten Erzählungen wird das Wilde Heer vom germanischen Gott Wotan (nordisch: Odin) angeführt.

Wer die Wilde Jagd beobachtet, wird von ihr erfasst und mitgerissen. Es galt deshalb als ratsam, sich in diesen Nächten nicht im Freien aufzuhalten und Fenster und Türen geschlossen zu halten.

Die Wilde Jagd: MythologyArt / Pixabay

Frau Perchta & die Perchten

Viele Legenden ranken sich um die Perchten und Frau Perchta. Es kursieren verschiedene historische Variationen und man ist sich uneins, ob ein direkter Zusammenhang zwischen Frau Perchta und den Perchten besteht. Mancherorts glaubt man, dass die Perchten die Gefolgschaft von Frau Perchta darstellen, anderenorts werden die Figuren getrennt voneinander betrachtet – und es wird lediglich auf die gemeinsame Namensherkunft (althochdeutsch: peraht = „hell, glänzend“) hingewiesen. Laut Berichten soll es bereits im Jahr 500 Umzüge mit dämonischen Gestalten gegeben haben, eine Göttin Perchta wurde jedoch erst viel später erwähnt.

Frau Perchta stellt eine Göttin aus der vorchristlichen Mythologie dar. In Mitteldeutschland entspricht sie der Sagengestalt Frau Holle. Ihrer Persönlichkeit wird nachgesagt, dass sie zwei Seiten in sich vereint – Gut und Böse, Licht und Dunkelheit, Leben und Tod, Strafe und Belohnung. Frau Perchta soll vornehmlich in der Dreikönigsnacht (6. Januar) unterwegs sein.

Perchtenumzug, Foto: strichpunkt/Pixabay

Die Perchten werden als dunkle, gehörnte Gestalten beschrieben, die in den Raunächten mit Getrampel und lärmenden Glocken durch Wälder und Dörfer ziehen. Nach alter Überlieferung vertreiben sie mit ihren Glocken die bösen Wintergeister. Gemeinhin gelten Perchten als glückbringende Beschützer, die böse Dämonen vertreiben. Es wird jedoch unterschieden zwischen „guten“ Schönperchten und „bösen“ Schiechperchten. Die Schiechperchten verkörpern das Dämonische – sie treten in der Nacht auf und bringen Unheil. Die Schönperchten sind der Gegenpol – sie sind bei Tage unterwegs und bringen Glück und Segen.

Im Süden Deutschlands, Österreich, Südtirol und der Schweiz werden sogenannte Perchtenläufe abgehalten und Haus und Ställe beräuchert, um böse Geister und schlechte Energien zu vertreiben.

Rituale & Bräuche

Viele Traditionen und Bräuche rund um den Raunächten sind von Generation zu Generation weitergetragen worden. Die meisten Rituale sollen Schutz und Segen für das kommende Jahr bewirken. Auch der Blick in die Zukunft und der Wunsch nach Glück, Gesundheit und Erfolg sind mit vielen Ritualen verknüpft. Altbekannte Gebräuche wie das Bleigießen, das Räuchern der Häuser und Ställe sowie das Sternsingen am 6. Januar sind bis heute erhalten geblieben.

Das Räuchern zwischen den Jahren ist auch heute noch verbreitet und bezweckt, schlechte Einflüsse und negative Energien zu vertreiben. Haus und Hof sollen durch den Rauch spirituell gereinigt werden und mit positiver Energie aufgeladen werden. Früher wurde vor allem Weihrauch für Reinigungs- und Schutzräucherungen verwendet, heutzutage sind es diverse Kräutermischungen.

Rauchwerk, Foto: andrea_lr16/Pixabay

Das Waschverbot zwischen den Jahren ist ein bekannter Brauch, den viele heute noch kennen. In der Zeit von Weihnachten bis Neujahr soll demnach keine Wäsche gewaschen und zum Trocknen aufgehängt werden. Der Volksglauben besagt, dass vorbeiziehende Dämonen sich in den Laken auf der Wäscheleine verfangen könnten und Unheil bringen. Eine andere Variante besagt, dass die Geister die Laken an sich nehmen, um sie bald darauf als Leichentücher zu verwenden. Demzufolge würde sich der Tod eines nahestehenden Menschen ankündigen.

Wäscheleine, Foto: wilhei/Pixabay

In manchen Regionen gibt es das Ritual der 13 Wünsche. Bei diesem Brauch werden 13 Wünsche auf kleine Zettel geschrieben, gefaltet und gemischt. Die Wünsche können sich auf berufliche Ziele oder auf die persönliche Entwicklung beziehen. In jeder Raunacht wird einer der Zettel nach dem Zufallsprinzip (ungelesen) gezogen und verbrannt. Der Glaube besagt, dass die Wünsche symbolisch an das Universum oder an höhere Mächte übergeben werden. 12 Wünsche erfüllt das Universum. Der Zettel mit dem 13. Wunsch wird am letzten Tag geöffnet und gelesen. Für die Erfüllung dieses letzten Wunsches ist man selbst zuständig. 

Wünsche, Foto: PTNorbert/Pixabay

Rauhnächte gelten als Zeit der Orakel und Prophezeiungen. Eine beliebte Methode für den Blick in die Zukunft sind Orakelkarten. Üblicherweise wird in den 12 Raunächten täglich eine Karte gezogen und anschließend gedeutet. Andere Formen der Wahrsagerei und Zukunftsdeutung sind beispielsweise das Legen von Runen oder das Lesen im Kaffeesatz. Beliebt ist auch das Verteilen von Glückskeksen, die eine persönliche Botschaft bezüglich der Zukunft enthalten.

#Tarot #Orakel #Wahrsagen

Tarotkarten, Bild: keithgonzalez/Pixabay

Eine weitere Form des Orakelns, das sich großer Beliebtheit erfreut, ist das Ritual des Bleigießens in der Silvesternacht. Traditionell wurde Blei als Rohmaterial zum Gießen verwendet, mittlerweile wurde der gesundheitsschädigende Stoff durch Zinn oder Wachs ersetzt. Die Begrifflichkeit „Blei“gießen ist dennoch im Sprachgebrauch erhalten geblieben. Die Figuren aus Zinn oder Wachs werden auf einem Löffel über einer Kerze geschmolzen, anschließend wird das verflüssigte Material in ein Gefäß mit kaltem Wasser gekippt. Die im Wasser erstarrte, neu entstandene Form wird symbolisch gedeutet und soll Hinweise auf das zukünftige Jahr geben. Sets zum Bleigießen gibt es in diversen Variationen im Handel zu kaufen.

Bleigießen, Foto: anncapictures/Pixabay

Die Träume zwischen den Jahren gelten als Omen für das neue Jahr. Alles was in den Raunächten geträumt wird, soll einen Blick in die Zukunft offenbaren und Hinweise auf das kommende Jahr geben. Für die Traumdeutung während der Raunächte gilt: Jede Nacht steht für einen Monat des nächsten Jahres. Nach dem Aufwachen soll das Geträumte aufgeschrieben werden und eine Art Traumtagebuch geführt werden. So lässt sich im Laufe des Jahres feststellen, ob die Träume in Erfüllung gegangen sind.

Träume, Bild: Estefano/Pixabay

Das Zünden von Böllern und Raketen an Silvester hat für viele Menschen eine feste Tradition. Die Ursprünge vom Feuerwerk in der Silvesternacht liegen weit zurück. Bereits bei den Germanen und später im Mittelalter wurden zum Jahresende mit Feuerzeremonien und Lärm die bösen Geister vertrieben. Das erste Feuerwerk in Deutschland soll im Jahr 1506 stattgefunden haben.

Feuerwerk, Bild: geralt/Pixabay

Die Ursprünge des Sternsingens liegen im christlichen Glauben und reichen bis ins Mittelalter zurück. Die Sternsinger ziehen am Dreikönigstag (6. Januar) von Tür zu Tür, segnen Häuser und Wohnungen und sammeln Spenden. Unter dem Motto „Kinder helfen Kindern“ sind jedes Jahr Kinder und Jugendliche als heilige drei Könige gekleidet zum Sternsingen unterwegs. In Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfswerk kommen die gesammelten Spenden Kindern in der ganzen Welt zugute. Das Dreikönigssingen ist ursprünglich eine katholische Aktion, wird heutzutage jedoch ökumenisch von katholischen und evangelischen Gemeinden gemeinsam organisiert. Der Brauch des Sternsingens ist bis heute erhalten geblieben.

Sternsingen, Bild: Taken/Pixabay

Heutzutage werden solche Rituale wohl eher als Aberglaube oder Mythos abgetan. Die Befürchtung: Es geht auch das Wissen um die Herkunft von Brauchtümern immer mehr verloren. Unabhängig davon, ob jemand die Bräuche pflegt und spirituelle Erfahrungen sucht oder „just for fun“ an Silvester Bleigießen praktiziert, bietet die Zeit zwischen den Jahren eine gute Gelegenheit für die innere Einkehr und um Kräfte für das kommende Jahr zu sammeln. Und ein bisschen Magie zum Jahreswechsel kann ja auch etwas Schönes sein.

Schlagwörter:

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar