Er gilt als besonders hinterlistige Form des Betrugs: Der sogenannte „Enkeltrick“! Kriminelle geben sich am Telefon als Verwandte aus, täuschen eine Notlage vor und bitten ihre älteren Opfer um Bargeld. Seniorenagentur-Frankfurt zeigt die unterschiedlichen Methoden der Lumpen.
Schau an! Wer nostalgische Vornamen wie etwa Mathilde, Agathe, Kunigunde oder Korbinian in seinem Personalausweis stehen hat, könnte schnell ins Visier von Verbrechern geraten, ist sich die Frankfurter Neue Presse (fnp) sicher. Denn die Wahrscheinlichkeit bei diesen traditionellen Vornamen ist groß, dass es sich um ältere und meistens allein lebende Menschen handelt. Auf der Suche nach potenziellen Opfern scheinen sich Trickbetrüger*innen vor allem in einem ähnlich veralteten Verzeichnis umzusehen: dem Telefonbuch. Genau dort stehen ältere Leute meist noch in dem analogen Verzeichnis, während jüngere Menschen heutzutage oft nicht mal mehr ein Festnetztelefon besitzen. Ist die Telefonnummer einmal recherchiert, gaukeln die Täter*innen dem älteren Opfer am Telefon vor, meistens Enkelkind, nahe Verwandschaft oder gute Bekannte zu sein. Und das sogar meist gekonnt. Laut Polizei sind die Täter*innen oft psychologisch geschult. „In der Regel sogar gescheiterte studierte Psychologen“, verrät Kriminalhauptkommissar Winfried Roth aus Aschaffenburg im Main-Echo. Zu dem hohen Alter können körperliche Umstände wie Hörschwäche hinzukommen, um die fremde Stimme am Telefon für die eines Verwandten zu halten. Auch machen Zerstreutheit und Demenz ältere Menschen zu leichten Opfern für diese Form des Betrugs.
Hohe Bargeldbeträge verlangt
Nimmt das Opfer den Anruf auf dem Festnetz entgegen, folgt nach einer kurzen Begrüßung unter der dreisten Verwendung des Vornamens des Opfers die schlechte Nachricht der Anrufer*innen prompt. Polizeimeldungen zufolge täuschen die Täter*innen am Telefon einen finanziellen Engpass vor und bitten um hohe Bargeldbeträge, beispielsweise für einen günstigen Auto- oder Wohnungskauf, die Begleichung von Schulden oder für die Bezahlung eines Unfallschadens. Durch wiederholte Anrufe werden die Betroffenen emotional noch massiver unter Druck gesetzt. „Sie verwickeln die Opfer am Telefon so gezielt in ein Gespräch und beschäftigen sie, dass sie gar nicht dazu kommen, kritisch zu hinterfragen, was sie da gerade gehört haben. Die Betrüger*innen bauen einen enormen Zeitdruck auf und fordern ihre Opfer zum sofortigen Handeln auf. Sie sollten gleich zur Bank gehen“, sagt Prof. Rainer Banse, Sozial- und Rechtspsychologe an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk, mdr. Dabei ist nicht jede Masche gleichartig. Um absolut sicherzugehen, rufen Schurk*innen ihre Opfer zwar auf dem Festnetztelefon an, fordern sie aber auf, mit dem Mobiltelefon ein weiteres Gespräch mit ihnen aufzubauen. „So erreichen die Betrüger, dass das Opfer zu diesem Zeitpunkt für Verwandte und Bekannte, die den Betrug vorzeitig aufdecken könnten, nicht erreichbar ist“, sagt Christina Pitz von der Klever Polizei gegenüber der Rheinischen Post.
Mit dem Taxi zur Bank
Verschiedentlich agieren die Kriminellen auch zu zweit oder zu dritt. Während der*die eine Täter*in beim Telefonat die Einzelheiten der Geldübergabe bespricht, holt anschließend ein*e andere*r Übeltäter*in das Geld ab. Da ältere Menschen oftmals nicht viel Cash zu Hause aufbewahren, ist der Gang zur Bank unabdingbar. Nicht selten bestellen die Täter*innen sogar ein Taxi, wenn das Opfer den Weg zum Geldhaus nicht mehr zu Fuß bewältigen kann. Auch werden die Opfer auf dem Weg und bei der Abhebung des Geldes von Mittäter*innen beobachtet. So soll sichergestellt werden, dass die Rentner*in nicht währenddessen die Polizei informiert oder zu lange mit dem*der Bankmitarbeiter*in plaudert, da mittlerweile viele Bankangestellte soweit sensibilisiert sind, mögliche Betrugsfälle aufgrund ungewöhnlicher Kontobewegungen sofort zu melden. Wie ein „Informationsblatt für Mitarbeiter*innen von Banken und Geldinstituten“ zeigt, werden Bankmitarbeiter*innen gezielt belehrt, mögliche Betrugsopfer schnell zu erkennen. „Wenn Kunden eine ungewöhnlich hohe Geldabhebung wünschen, die teilweise oder fast das gesamte Vermögen umfasst, sollten Sie hellhörig werden. Fragen Sie nach dem Enkeltrick: Erkundigen Sie sich, ob der Senior diese Betrugsform kennt“, so die klare Anweisung.
Geschichten aufgetischt
Ist das Bargeld einmal im Besitz des Opfers, folgt der zweite Anruf garantiert: Der vermeintliche Enkel oder Verwandte gibt am Telefon vor, das Geld nicht selbst abholen zu können. Für die Geldübergabe werde eine andere Person mit einem zuvor vereinbarten Kennwort an einem zuvor vereinbarten Treffpunkt erscheinen. Er sei gerade bei dem*der Notar*in und könne nicht persönlich vorbeikommen, oder eine andere Geschichte, die ihn verhindere werde dann aufgetischt, dass sich die Balken biegen. In anderen Fällen schaltet sich sogar ein*e fiktive*r Polizist*in telefonisch ein, um „einen seiner Kollegen“ zu verlangen. Warum? So wollen die Betrüger*innen sicherstellen, dass niemand von der Polizei bei dem Opfer ist. Die abschließende Geldübergabe erfolgt einmal wieder mithilfe eines Taxis, damit keine Nummernschilder auf die Täter*innen hinweisen.
Schock traumatisiert!
Nicht unerwähnt bleiben sollte noch die bei den Betrüger*innen beliebte Masche der sogenannten Schockanrufe. Nimmt in diesem Fall das Opfer den Hörer ab, kann es sein, dass es zuerst nur lautes Gekreische und Geweine hört. Ihm wird wieder einmal von einer vermeintlich nahe stehenden Person, beispielsweise der angeblichen Tochter, unter Tränen vorgetäuscht, ein schrecklicher Verkehrsunfall habe sich ereignet. Sie hätte jemanden totgefahren. „Ein angeblicher Staatsanwalt erklärt dann dem ahnungslosen Opfer, dass die Tochter einer Haftstrafe nur entgehen könne, wenn sofort und in bar eine hohe Summe Geld an einen Boten übergeben werde“, berichtet der Merkur. So oder so – im Worst-Case-Szenario ist nicht nur das Geld verloren, sondern das Opfer könnte durch die rücksichtslose Inszenierung ernsthaft traumatisiert sein. Tipp: Um die Menschen vor diesen Schockanrufen zu warnen, hat die Polizei Frankfurt ein Video gedreht, das sie über Twitter verbreitet. Von dem Video verspreche man sich mehr Reichweite und Aufklärung zum Thema, damit nicht noch mehr Schaden entstehe.
Dass es erfreulicherweise auch anders ausgehen kann, zeigen zwei ganz besondere Fälle:
In Sachsen ließ sich eine ältere Dame nicht hinters Licht führen – trotz einem stolzen Alter von 101 Jahren! Dabei schien die Seniorin aus Strehla im Landkreis Meißen das perfekte Opfer für den Enkeltrick zu sein – dachte sich zumindest diese Betrügerin. Doch da hatte sie sich offenbar gewaltig getäuscht. Als bei der Frau das Telefon klingelte, gab sich die Gaunerin als die vermeintliche Tochter aus. Wegen eines Verkehrsunfalls brauche sie nun mehrere Tausend Euro. „Doch die clevere Rentnerin ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Sie hat sich erfolgreich widersetzt und durchschaute die Masche des Anrufers. Sie erkannte den Betrugsversuch und alarmierte die Polizei“, berichtet RTLNews.
Eine weitere ältere Dame – diesmal eine 100 Jahre alte Augsburgerin ist ebenso einem Telefonbetrüger, der Geld von ihr wollte, nicht auf den Leim gegangen. Im Gegenteil: Ihr ist es zu verdanken, dass der Mann verhaftet werden konnte. Nach einen Anruf mit anschließender Geldforderung verständigte die listige Seniorin daraufhin ihre Nachbarn. „Während die Rentnerin am Telefon vortäuschte, bezahlen zu wollen, riefen die Nachbarn die Polizei. Bei einer simulierten Geldübergabe konnten Zivilbeamte einen 33-jährigen Mann festnehmen, der das Geld abholen wollte“, meldet Spiegel Online.
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Wie können Sie sich vor solchen Betrügern*innen schützen?
– Ältere Menschen sollten ihren Vornamen im Telefonbuch nur noch abkürzen, denn Betrüger*innen suchen bewusst nach älteren Vornamen. Tragen Sie sich präventiv aus dem Telefonbuch aus. Wer weiterhin im Telefonbuch aufgeführt werden möchte, sollte zumindest seinen Vornamen abkürzen.
– Seien Sie misstrauisch, wenn zum Beispiel im Display Ihres Handys die Nummer unterdrückt wurde und sich die Person als Verwandter oder Bekannter ausgibt. Erfragen Sie bei dem*der Anrufer*in Dinge, die nur die richtige Person wissen kann.
– Hinterfragen Sie sich selbst, warum jemand Ihre finanziellen Möglichkeiten erfragt. Lassen Sie sich nicht drängen oder unter Druck setzten.
– Vereinbaren Sie ein tägliches Überweisungslimit mit Ihrer Bank. So lässt sich der finanzielle Schaden schon vorab begrenzen. Und im Notfall haben Sie dadurch etwas mehr Zeit, die Bank zu kontaktieren und Ihr Konto sperren zu lassen.
– Bei verdächtigen Anrufen immer noch einmal selbst die Familie kontaktieren und fragen, ob es tatsächlich das Enkelkind war.
– Besser noch sofort die Polizei unter 110 anrufen. Diese wird Sie an die richtige Stelle weiterleiten, wo Ihnen geholfen werden kann.
– Die Polizei ruft übrigens niemals unter der Notrufnummer 110 an. Das tun nur Betrüger*innen, die sich als Polizist*innen ausgeben und mittels Computerprogrammen falsche Telefonnummern auf dem Display des Opfers aufleuchten lassen.
(MRK/2023)